Eine Möglichkeit festzustellen, ob Komplexitätsmanagement gut funktioniert, ist ein Blick auf den Grad des "Rauschens" in einer Organisation. "Organisatorisches Rauschen" ist eine noch wenig diskutierte Störung in der Organisationskultur. Dies erstaunt, denn die damit verbundenen negativen Folgen sind erheblich: verminderte Entscheidungsqualität, erhöhte Fehleranfälligkeit, ineffiziente Kommunikation, verringerte Produktivität und Leistungsfähigkeit.
Organisatorisches Rauschen bezeichnet im Kern dysfunktionale Kommunikation in Organisationen. Dies kann sich in zwei Intensitätsstufen manifestieren:
Moderate Störung (Rauschen)
Bei geringer Ausprägung folgt die Organisation einem Schema von "organisiertem Nichtstun", gesetzte Ziele werden nicht erreicht. Dies kann zu ineffizienten Arbeitsprozessen und verminderter Produktivität und Motivation führen.
Starke Störung (starkes Rauschen, "Lärm")
Bei stärkerer Ausprägung treten u.a. folgende Phänomene auf: Überlange, ineffektive Sitzungen, Nichteinhaltung von Zeitplänen, Zunahme von Konflikten, Häufung von ungelösten Problemen und Brennpunkten.
Organisatorisches Rauschen ist oft hausgemacht und könnte deshalb vermieden werden. Ursache ist die Häufung organisatorischer Mängel und Fehler auf der Ebene von Strategie, Strukturen und Kultur. Diese Ebene hat die wichtige Funktion, berechenbares, erwartbares und geordnetes Geschehen in einer Organisation sicherzustellen (strukturierte Komplexität). Kumulative Defizite auf dieser Ebene führen schliesslich dazu, dass auf der Ebene der Prozesse (Management und Führung) und der Entwicklungen (Optimierung und Innovation) organisatorisches Rauschen erzeugt wird
Bekannte Beispiele sind ein Zuviel an parallel laufenden Veränderungsprozessen, Einbezug von Mitarbeitenden und strategischen Zielen. Koordination wird verunmöglicht, Variabilität von Entscheidungen nimmt zu und gesundes Augenmass gerät zunehmend aus dem Blickfeld. Die Gründe liegen oft darin, dass "in Bewegung sein" weit grössere gesellschaftliche Anerkennung erhält als bewusstes Innehalten. Macher:innen, operative Hektik und Aktionismus bespielen die grossen Bühnen.
Weitere Beispiele finden sich am anderen Pol: Ein Zuwenig an Führung, Einbezug von Mitarbeitenden und Strategiemanagement. Sinnvolle Grenzen verschwimmen, Motivation sowie Vertrauen schwinden und (Re-)Organisation dreht sich im Kreis und wird zum Reorganisationskarussell. Der meistgenannte Grund für mehr oder weniger Nichtstun lautet: «keine Zeit». Das Paradoxe hierin ist, dass das gerade "keine Zeit haben" eine der unweigerlichen Folgen organisatorischen Rauschens ist.
Wir von bcp bieten gezielte, systematisch durchgeführte Audits, mit denen eine Organisation hinsichtlich der Qualität des Komplexitätsmanagements und spezifisch bezüglich dem organisatorischen Rauschen analysiert werden kann. Erkannte Mängel können dann verbessert, Fehler behoben und unnötige Komplexität (wieder) aufgelöst werden.
Noch besser als die Behebung von Mängeln ist jedoch ein bewusstes und umsichtiges Organisieren von Anfang an. Das Motto "Weniger ist mehr" kann als Leitprinzip dienen, um die begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen gezielt dort einzusetzen, wo sie wirklich wichtig sind. Eine rauscharme Organisation ist das Resultat achtsamer, ganzheitlicher Führung. Sowohl Kund:innen als auch Mitarbeitende profitieren von einer solchen Fokussierung – sie bereitet den Boden für verbesserte Qualität, steigende Arbeitszufriedenheit und unternehmerischen Erfolg.
Dieser Beitrag ist der zweite Teil der Reihe zum Thema "Komplexität managen", auf die in den kommenden Wochen weitere folgen werden. Geplant sind "Ein Teufelskreis der Überraschungen" und "Die Illusion der reibungslosen Organisation".
Komplexität managen Teil 1 - Kerngedanken und Ausgangspunkte
Autor: Michel Voisard