In diesem und den kommenden Beiträgen möchte ich das Augenmerk auf «Komplexität» richten. Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, den inflationär gebrauchten Begriff der Komplexität zu «füllen» und Antworten zu suchen, wie im Organisationsalltag sinnvollerweise mit Komplexität umgegangen werden kann.
Organisationen sind ständig konfrontiert mit den Auswirkungen komplexer Konstellationen. Um diese zu reduzieren, ordnen Organisationen ihre Operationen durch ihre Programme (wie z.B. Hierarchien, agile Einheiten, Sitzungsgefässe, Strategieprozesse). Sie schaffen so Erwartungssicherheit (strukturierte Komplexität). In diesem konkretisierten Rahmen funktionieren (entscheiden) Organisationen weitgehend geordnet und "leben im Gefühl" der Kontrollier- und Planbarkeit. Komplexität wird reduziert und in lösbare Probleme verwandelt.
Diese weitgehend selbstkonstruierte (Komfort-)Zone von Organisationen wird ihrerseits durchzogen und umrahmt durch alles, was eben nicht in die Programme einbezogen worden ist respektive werden kann (unstrukturierte/zufällige Komplexität). In ihrem Umfang und ihrer potenziellen Dynamik ist diese Dimension undurchschaubar, unberechenbar und unkontrollierbar. Diese Komplexität stört unvorbereitet all die geordneten Narrative von Strategie, Planung, Führung und kann sogar zerstörerische Ausmasse annehmen. Sie ist, sinnbildlich gesprochen, die Quelle von Überraschung und Enttäuschung. Komplexität bleibt immer auch irreduzibel, mit unvorhersehbaren Ereignissen und unberechenbaren Folgen.
Eine genauere Betrachtung von Komplexität lohnt sich. Als Praxis ist sie längst Teil des Managements moderner Organisation. Was fehlt, ist ein Perspektivenwechsel von Ordnung zu Störung als Normalität. Dieser führt zu ganzheitlicherer Betrachtung, wahrscheinlicherem Erfolg und fast immer zu etwas mehr Gelassenheit.
Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Reihe zum Thema "Komplexität managen", auf die in den kommenden Wochen weitere folgen werden. Geplant sind "Organisatorisches Rauschen", "Ein Teufelskreis der Überraschungen" und "Die Illusion der reibungslosen Organisation".
Autor: Michel Voisard