Vom Denken ins Tun kommen – aber wie?

Das Konzept ist erarbeitet, abgenommen und gefeiert. Jetzt fängt die Arbeit an. Beim Übergang vom Denken ins Tun scheitern viele Veränderungsvorhaben. Aber es kann gelingen…

Herzliche Gratulation, Sie haben es geschafft!

Wenn eine neue Strategie oder ein Konzept für organisationale Veränderungen entstanden ist, können Sie zu Recht stolz darauf sein. Aus einer Analyse und der intensiven, herausfordernden Auseinandersetzung verschiedener Personen innerhalb und ausserhalb der Organisation ist etwas Neues entstanden. Vielleicht kennen Sie diesen tollen Moment aus eigenen Veränderungsprojekten. Auch wir als Beraterinnen und Berater von bcp sind in solchen Momenten stolz und glücklich darüber, was wir gemeinsam mit unseren Kunden und Kundinnen erreicht haben.

Auf die Euphorie folgt aber meist ein Moment der Ernüchterung, denn die eigentliche Arbeit steht ja erst bevor! Die Umsetzung von Strategien bedeutet meist neue Projekte – neben den schon laufenden Vorhaben und dem drängenden Tagesgeschäft. Die Umsetzung von organisationalen Veränderungen erfordert es, das tägliche Tun möglichst ohne Unterbruch der Leistung zu verändern – also quasi am fahrenden Auto den Reifen zu wechseln.

Im Übergang vom Denken zum Machen – von der Konzeptarbeit zur Umsetzung – steckt ein Schlüsselmoment in Veränderungsprozessen, welchem wenig Beachtung geschenkt wird.

 

Reden ist einfacher als Machen

In unseren Mandaten haben wir oft beobachtet, dass es in Organisationen als selbstverständlich angesehen wird, Dinge zu planen und nicht (fertig) umzusetzen. Ein altbekanntes Muster, das wir auch aus unserem Privatleben kennen – an Silvester machen wir uns gute Vorsätze, von denen wir eigentlich bereits wissen, dass wir sie nicht einhalten werden.

Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton haben schon in den späten 1990ern vom Phänomen der «Knowing-Doing Gap» gesprochen – der paradoxen Situation, dass Führungskräfte oft ganz genau wissen, was zu tun ist, es aber nicht tun. Gemäss der Autoren ist der sogenannte Wissensvorsprung von Firmen zwar wichtig, aber Unternehmen sind erst dann erfolgreich, wenn das Team über Umsetzungsstärke verfügt, d.h. fähig ist, Pläne und Vorhaben tatsächlich umzusetzen. Umsetzungsstärke kann eine Fähigkeit von Einzelpersonen sein, aber auch von Teams und Organisationen.

 

Was braucht es, damit der Wechsel vom Denken ins Tun gelingen kann?

In Bezug auf Veränderungsprozesse sehen wir folgende Erfolgsfaktoren für diesen Schlüsselmoment des Wechsels vom Denken ins Tun: 

1. Erkenne dich selbst

Führen Sie eine bewusste und ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Umsetzungsstärke innerhalb Ihrer Organisation mit folgenden Fragen:

  • Wie haben wir in der Vergangenheit unsere Pläne und Vorhaben umgesetzt oder eben nicht?
    • Warum hat es in der Vergangenheit nicht oder nicht wie gewünscht geklappt mit der Umsetzung?
    • In welchen Fällen hat es gut geklappt? Was hat uns in diesen Fällen geholfen?
  • Können Mitarbeitende und Führungskräfte bei uns etwas wagen und dabei Fehler machen? Wird es belohnt, neue Wege zu gehen?

Versuchen Sie, basierend auf den Erkenntnissen dieser Selbstbetrachtung, in die Planung der Umsetzung zu gehen. Dabei kann es Sinn machen, bewusst einen anderen Weg zu wählen und Muster so zu durchbrechen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die ehrliche Selbstbetrachtung als System – als Startpunkt einer Umsetzung und danach – eine enorme Wirkung auf Organisationen und ihre Fähigkeiten haben kann.

2. Echtes Com­mit­ment herstellen

Diejenigen Personen, von denen der Erfolg der Umsetzung abhängig ist, brauchen echtes Com­mit­ment gegenüber dem Vorhaben und seinem Ziel. Echtes Com­mit­ment bedeutet die Überzeugung, dass mit der Umsetzung eine Verbesserung erreicht werden kann. Com­mit­ment ist aber auch von emotionaler Qualität und führt zur Motivation, sich für die Umsetzung einzusetzen.

Ein gutes Sinnbild dafür ist die Metapher von Elefant und Reiter von Jonathan Haidt. Der Elefant steht für den archaischen und emotionalen Teil unseres Gehirns, der Reiter für den rationalen Teil unseres Gehirns. Der Reiter macht Pläne und gibt die Richtung vor. Das funktioniert aber nur, wenn der Elefant auch mitmacht. Ist er unzufrieden und stellt er sich quer, geht gar nichts mehr. Genauso verhält es sich mit Menschen in der Umsetzung von Veränderungen: Sie müssen sich emotional mit dem Ziel verbunden fühlen. Dies bei Mitarbeitenden zu erreichen ist eine zentrale Herausforderung für Führungskräfte in Veränderungsprozessen.

Ein möglicher Weg zu echtem Com­mit­ment ist es, Schlüsselpersonen der Umsetzung in die Lösungsfindung miteinzubeziehen und ihnen in diesem Prozess auch Raum für Bedenken, Unsicherheiten und Emotionen zuzulassen. Bevor es losgeht mit der Umsetzung muss der Elefant zufrieden sein und in den Startlöchern stehen. Aus unserer Beratungsarbeit wissen wir, dass partizipativ gestaltete Lösungsfindungsprozesse die Umsetzung massiv vereinfachen. Auch während der Umsetzung ist es wichtig, bewusst Räume für Kreativität und selbstverantwortliche Entscheide für Schlüsselpersonen zu kreieren, um das Com­mit­ment für den Einsatz aufrechtzuerhalten.

3. Prioritäten setzen und realistisch planen

Die Planung der Umsetzung ist ein zentraler Punkt für den Erfolg. Dazu gehören eine grobe Planung der einzelnen Vorgehensschritte in der Umsetzung, eine Zeitplanung sowie klare Rollen und Verantwortlichkeiten. Sind mehrere Vorhaben geplant, lohnt es sich, eine Gesamtsicht herzustellen. Dies ermöglicht, Prioritäten zu setzen und sich nur das vorzunehmen, wozu auch genügend Ressourcen vorhanden sind.

Und dann gehört zu einer Umsetzungsplanung immer auch die Frage der Steuerung der Umsetzung -  Boxenstopps, um zu reflektieren, wo Sie in der Umsetzung stehen und was es für die nächsten Schritte braucht.

Aber Achtung: Übermässiges Planen bis ins letzte Detail kann auch lähmen und die Lust nehmen, wirklich etwas zu tun. Man zögert das Denken heraus, um nicht ins Tun kommen zu müssen. Es gilt also ein gutes Mittel im Spagat zwischen genauer Planung mit Verbindlichkeit und Klarheit sowie Freiheit und Flexibilität zu finden.

4. Fake it till you make it – einfach mal loslegen

Ein anderer Weg, um möglichst schnell ins Tun zu kommen ist es, einfach mal loszulegen, ohne die einzelnen Schritte geplant zu haben. Im Sinne eines Prototyps startet man mal, probiert aus, holt Rückmeldungen von wichtigen Anspruchsgruppen ein, justiert und probiert weiter aus. Die Lösung wird nicht am Anfang sichtbar, sondern entwickelt sicht im ständigen Austausch mit dem Umfeld. Im agilen Arbeiten werden Umsetzungs- und Planungszyklen verkleinert. Ein ständiger Lern- und Entwicklungsprozess besteht aus einem dauernden Wechsel «vom Denken zum Tun und zurück» und erleichtert so die Übergänge. 

Natürlich ist dies nur in einem Umfeld sinnvoll, wo unfertige Lösungen sein dürfen. In der öffentlichen Verwaltung beispielsweise hat Unfertiges und Fehlerhaftes tendenziell weniger Platz. Ein sich immer schneller wandelndes Umfeld hat aber auch dort zu einer Entwicklung hin zu agilen Arbeitsweisen und Organisationsformen geführt (vgl. Stucki-Sabeti et. Al.).

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es gerade in einem Umfeld voller komplexer und teilweise lähmender Steuerungs- und Planungsstrukturen (wie in der öffentlichen Verwaltung) manchmal Sinn macht «einfach mal loszulegen» - wenn auch nur im Kleinen…

 

Fazit

Ideen und Konzepte tatsächlich umzusetzen ist in vielen Veränderungsprozessen eine zentrale Herausforderung. Ob das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Ein bewusster Umgang mit der eigenen Umsetzungsstärke und schliesslich eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Organisation als System ist ein wichtiger erster Schritt. Nur mit einer regelmässigen Selbstbetrachtung und dem darauf aufbauenden bewussten Planen und Handeln und gemeinsamen Lernens kann es gelingen, nachhaltig an Umsetzungsstärke zu gewinnen.

Der Grossteil der Beratungsarbeit von bcp befasst sich mit dem Denken – wir bieten methodisches Sparring und gestalten partizipative Lösungsfindungsprozesse. Und oft enden unsere Mandate genau mit dem Übergang zum Tun. Unser Anspruch ist es aber stets, dass unsere Kundinnen und Kunden nicht nur ein «schlaues Papier» in den Händen halten, sondern auch befähigt sind, dieses in die Tat umzusetzen. Im Sinne eines ganzheitlichen Entwicklungsansatzes setzen wir von bcp den Fokus darauf, unsere Kunden und Kundinnen in ihrer Umsetzungsfähigkeit zu stärken und sie bedürfnisgerecht auch im Übergang «vom Denken zum Tun» zu begleiten.

 

Quellen und weiterführende Literatur:

Jeffrey Pfeffer und Robert I. Sutton (2001): The Knowing-Doing Gap: How Smart Companies Turn Knowledge into Action. Harvard Business School Press.

ZHAW, Institut für angewandte Psychologie (2022): Unterlagen CAS Change Management, Organisationsberatung – und Entwicklung.

Stucki-Sabeti, S., Fluri., & Kessler, O. (2022): Agilität in der öffentlichen Verwaltung – vom Konzept in die Praxis. Swiss Yearbook of Administrativ Science, 13(1), p. 111-130.

Graf, Daniel (2019/17. Mai) Bauch first, brain second. Republik.

 

Autorin: Eva Abegg