Miteinander statt nebeneinander arbeiten

Organisationen bewegen sich in einer komplexen, schnellen und mit Unsicherheiten behafteten Welt. Klassische Versuche zur Steuerung des Organisationsgeschehens stossen hier an Grenzen. Viel wichtiger wird, dass Menschen über Hierarchie- und Bereichsgrenzen hinweg an der Unternehmensentwicklung mitwirken und sich für gemeinsame Ziele einsetzen. Eine unterstützende Methode dafür: «Beyond Leadership».

Hierarchien, Top-Down-Führung sowie fixe Instrumente und Prozesse funktionieren gut in einem stabilen Kontext, in dem Lösungen langfristige Gültigkeit haben. Je unsicherer und schnelllebiger die Rahmenbedingungen werden, desto schneller müssen Organisationen an unterschiedlichen Stellen auf neue Themen oder Gegebenheiten reagieren. Und desto wichtiger wird die vernetzte und koordinierte Mitwirkung vieler. Die Handlungsfähigkeit und -geschwindigkeit von Organisationen hängt heute entscheidend von ihrem Vermögen ab, das kollektive menschliche Kooperationspotenzial ihrer Mitglieder freizusetzen.

Wenn sich Menschen miteinander und mit einer Idee verbunden fühlen, setzen sie sich gemeinsam für die entsprechenden Ziele ein. Im Arbeitsalltag ist «Zusammenarbeit» aber oft ein Nebeneinander von unterschiedlichen Vorstellungen, die wenig Bezug aufeinander nehmen. Es fällt schwer, tatsächlich aufeinander einzugehen, in Kontakt miteinander zu treten und eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln. Nur zu oft resultiert daraus kein gemeinsames Ergebnis, sondern ein Entscheid für die am stärksten vertretene Idee einiger weniger. 

 

Beyond Leadership: Ein Lösungsansatz für echte Kooperation 

Möchten wir wirklich gemeinsame Ideen entwickeln, müssen wir miteinander in Beziehung treten, uns vertieft miteinander auseinandersetzen und uns vor allem gut zuhören. Ausserdem hilft es, wenn wir ein gutes Zusammenspiel ermöglichen zwischen der persönlichen Perspektive der Einzelnen und der kollektiven Ebene als Gruppe. Wenn ich mir selbst über meine Position und Haltung im Klaren bin und wir diese gegenseitig voneinander kennen, existiert eine gute Grundlage für Gemeinsamkeiten und allenfalls auch Kompromisse.

Ein Lösungsansatz, um gegenseitig Gedanken aufzunehmen bzw. schrittweise eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln, ist die strukturierte Methode «Beyond Leadership» (Mölleney/Sachs, 2019). Sie basiert auf der Grundidee von P. Cohen (2013) und vereint Elemente aus dem Teambuilding mit neuen Erkenntnissen zu Leadership und Followership.

 

Zuhören, wertschätzendes Feedback, Gruppenreflexion

Die Methode funktioniert als Aktivierungszirkel in Form eines Workflows (siehe PDF am Ende des Beitrages). Bei jedem Schritt steht eine auf der vorherigen Runde aufbauende Frage im Vordergrund, die sich an einem Grundthema orientiert. Die Schritte bewegen sich dabei zwischen der «Ich»- und der «Wir»-Ebene, was Raum für Autonomie und Verbundenheit ermöglicht. Die Mitwirkenden sollen sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbringen können und nicht nur in einer definierten, professionellen Rolle. Jede Runde folgt einem fixen Ablauf aus «Zuhören», «wertschätzendem Feedback» und «Gruppenreflexion». Dies sorgt für gleiche Redeanteile und einen empathischen, positiven Umgang zwischen den Teilnehmenden und den verschiedenen Ideen. Die in der Abbildung enthaltenen Fragen zeigen idealtypisch die aufeinander aufbauenden Schritte auf. Je nach Ausgangslage muss die Fragestellung angepasst werden – ebenso wie die Anzahl der durchzuführenden Schritte (die gut gekürzt werden kann).

 

Positive Erfahrungen aus der bcp Praxis: Ein idealer Start für gemeinsame Lösungen

In unserer Beratungspraxis hat sich die Arbeit mit «Beyond Leadership» besonders in frühen Projektphasen bewährt, wo die Unsicherheiten gegenüber beginnenden Projekten und Veränderungen noch gross und ein gemeinsames Verständnis der Problemlage noch klein sind. Konkret eignet sich die Methode für Kick-offs oder Workshops, in denen eine erste Auslegeordnung stattfinden soll. Die drei Schritte Connect – Align – Imagine sind dabei oft ausreichend. Zentral ist es vor allem, die richtigen Fragen zu stellen. Schon mehrfach durften wir in Gruppen besondere Momente der Verbundenheit und Zuversicht beobachten. Diese entstanden aus dem «Sich-gehört-fühlen», der gegenseitigen Auseinandersetzung und Wertschätzung, der Öffnung für unterschiedliche Perspektiven und dem Gefühl, mit seinen Themen nicht allein dazustehen. Es zeigt sich auch im weiteren Projektverlauf, dass nach einer Einstiegssequenz (z.B. Kick-off) mit Beyond Leadership die Kompromissbereitschaft, die Offenheit der Diskussionen und die Bereitschaft, sich gegenseitig zuzuhören und aufeinander einzugehen, nachhaltig steigt. Die Beteiligten kennen die Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten in den Sichtweisen und Bedürfnissen und können darauf Bezug nehmen. Eine ideale Voraussetzung, um miteinander Lösungen zu entwickeln, statt nebeneinander.

 

Literatur / Quellen:

Mölleney, M. & Sachs, S. (2019): Beyond Leadership. Zürich: Verlag SKV AG.

Cowden, P. D. (2013): Neustart: Das Ende der Wirtschaft, wie wir sie kennen. Ab jetzt zählt der Mensch! München: Ariston Verlag. 

 

Autorin: Catherine Hirt